SCHULE@Im_flieger

Temporäre Schule zur Entwicklung schöner Gesten. Performative Kunst. Öffentlicher Raum. Anwesenheit.

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Die Praxis der Praxis: Lehren als künstlerische Forschung.
Performative Kunst, Tanz und Somatik

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Künstlerische Forschung durch Bewegung(en)
Tanz, somatische Aufmerksamkeit, Bewegung als Generator von Möglichkeiten

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Artistic Research Through Slippery Time(s)
Performativität und Öffnungen, Lücken und Schlupflöcher, die durch Performancepraktiken zu finden sind

Mit dem hybriden Format SCHULE@Im_flieger setzen wir einen Schwerpunkt auf transgenerationale Wissensvermittlung, künstlerische Forschung, Produktion und Diskurs an der Schnittstelle von Kunst, Sozialem und Bewusstsein.

Erfahrene Künstler:innen und Expert:innen vermitteln ihre erprobten Arbeitsmethoden an ausgewählte Künstler:innen (und interessierte Menschen anderer Berufsfelder), die mittels öffentlicher Ausschreibung ausgewählt werden. SCHULE@Im_flieger ermöglicht den Teilnehmer:innen ihre eigene künstlerische Praxis innerhalb eines Jahres unter Begleitung der Mentor*innen zu entwickeln und öffentlich zu teilen. Im Zentrum stehen die Erforschung neuer Kontexte, Arbeitsweisen und Formen künstlerischer Intervention und Aktion. Die Aufmerksamkeit richtet sich auf eine Kunst des Handelns und Forschens.

Ziel ist es, Raum für längerfristigen Austausch sowohl mit Expert:innen als auch innerhalb der Teilnehmer:innen-Gruppe, sowie Raum für nachhaltige Unterstützung und kontinuierliche Praxis zu schaffen.

Künstlerische Positionen und Praktiken an den „Rändern“ der etablierten Kunstfelder sollen gestärkt, sichtbar gemacht und ihr soziokulturelles Potential ausgelotet werden.

Konzeption: Im_flieger Team (Anita Kaya, Johanna Nielson, Agnes Schneidewind) & Claudia Heu
Dokumentation: Franzi Kreis
Gesamtkoordination: Anita Kaya

„Während die Zivilgesellschaft auf allen Ebenen danach sucht, wie man sich anders organisieren kann, wie man mit dem Wandel, der Produktion, dem Konsum, dem Klimawandel, dem scheiternden kapitalistischen System, der Nachhaltigkeit umgeht und wie man neue Modelle entwickelt, sind wir in der Kunst weit entfernt davon.”[1]

Die gesellschaftlichen Probleme spiegeln sich im Kunst- und Kulturbetrieb wieder, der von der Konsumgesellschaft eingenommen ist und nach denselben Mechanismen funktioniert.

Auch wenn wir, Künstler:innen und Kurator:innen, die großen gesellschaftlichen Probleme, in deren Abgrund wir aktuell schauen, nicht mit Kunst lösen können, können wir zumindest die Mechanismen, Hierarchien und Strukturen in und mit denen wir arbeiten, aufdecken, bewusst machen, verändern, verweigern, andere realisieren. Museen und Theater – als traditionelle, rituelle Räume und Versammlungsorte der westlichen Gesellschaft – dienen dazu, die jeweils gesellschaftlich relevanten Werte einzuüben.[2]

Welche neuen Rituale und Versammlungsorte braucht unsere heutige Gesellschaft und welche neue Gesellschaftsordnung soll eingeübt werden?

Wie kann künstlerisches und kuratorisches Schaffen sich auf eine andere Weise mit der Gesellschaft, der Welt verbinden und wirksam werden?

Wie kann eine künstlerische und kuratorische Praxis entwickelt werden um einen nachhaltigen Dialog zwischen Künstler:innen und Zuschauer:innen aufzubauen?

Wie können künstlerische Praktiken und Methoden als wesentlicher Bestandteil unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens erfahrbar gemacht werden?

Wie kann Kunst nicht mehr nur als abgeschlossenes System rezipiert, sondern in ihrem interaktiven Forschungs- und Transformationspotenzial erkannt werden, und für gesellschaftliche Fragen und Prozesse Relevanz erhalten?

Wie arbeiten an der Gemeinschaft, an der gesellschaftlichen Ordnung?

Das Vorschlagen neuer Modelle der Produktion, Distribution und Rezeption, sind Kennzeichen von Im_flieger und anderer aktueller und historischer Künstler:innen-Organisationen und -gruppierungen. Das kollektive künstlerische Experimentieren führt zu Ergebnissen, die vorherrschende gesellschaftliche Normen in Frage stellen, und neue Sichtweisen eröffnen können. Die eingeführten Neuformulierungen implizieren oft eine veränderte Positionierung der Kunst gegenüber der Politik und des Privaten gegenüber dem Öffentlichen.[3] Es werden neue Narrative für die künstlerische Praxis gesetzt und somit die Suche nach dem, was Kunst noch sein kann.

SCHULE@Im_flieger stellt sich der Notwendigkeit eines neuen Produktions-Begriffs. Die Aufmerksamkeit richtet sich auf eine Kunst des Handeln und des Forschens. Es wird mit neuen Formen der Arbeit und Produktion, der Wertproduktion und des Austauschs experimentiert, die Alternativen zu den marktgängigen Formen darstellen. Kritisches Bewusstsein und kritische Strategien sollen entwickelt und ein praxisorientierter Diskurs angeregt werden, der über den reduktiven Gegensatz zwischen Prozess und Produkt hinauszugehen vermag.[4]

SCHULE@Im_flieger experimentiert mit unterschiedliche Möglichkeiten und Strategien Zuschauer:innen in die künstlerische Produktion und Recherche miteinzubeziehen und die traditionelle Rolle und Beziehung zwischen Künstler:innen, Kunstwerk und Publikum zu befragen, zu verschieben und auszuloten; im Sinne einer demokratischen Re-konfiguration der Rolle der Zuschauer:innen, als ermächtigte Teilnehmer:innen mit Einfluss und Wirkung auf das Gesamte. Die Kunsthistorikerin Claire Bishop bezeichnet diese Entwicklung in der Kunst als „Social Turn“.[5] Ein spielerischer, nicht-instrumenteller Zu- und Umgang zur Welt soll angeregt werden, der die Wertschätzung und Wertschöpfung steigert, ohne zu konsumieren, in Besitz zu nehmen oder in eine Ware zu verwandeln, für die Mitwirkenden als auch für das Publikum.

Unter Mitwirkung zahlreicher Künstler:innen und Theoretiker:innen schafft Im_flieger mit diesem Format neue Möglichkeiten für nachhaltige künstlerische Unterstützung und längerfristige (transdisziplinäre) Zusammenarbeit, die es zu untersuchen und erfahren gilt. Künstlerische Praktiken an den Rändern der etablierten Kunstfelder sollen gestärkt, sichtbar gemacht und ihr soziokulturelles Potential ausgelotet werden. „Kunst als Sozialer Raum“ oder „Sozial Engagierte Kunst“ ist mehr als „reine Beziehungsreflexion oder Ästhetik. Sie bezieht Stellung oder provoziert andere, Stellung zu beziehen. Sie will nicht nur Veränderung, sie will ein aktiver Teil dieser Veränderung sein, oder sie sogar initiieren.[6] Der Kurator und Autor Charles Esche visioniert eine neue Kunst, die sich von ihrer diskreten Identität und ihrer Zufriedenheit mit ihrem Platz in der Hierarchie der Luxusprodukte verabschiedet: „Diese neue Kunst wäre dann eine ermächtigte Plattform, die das kollektive Potenzial ihrer Nutzer auf eine Art und Weise verwirklichen könnte, die in alle Aspekte der sozialen Welt strömt und die Kunstwelt zurücklässt, ungeliebt und unerwünscht, wenn auch wahrscheinlich schwer einzuholen. Wäre das nicht schön?“[7]

Das Format Schule@Im_flieger ist ein kleiner Beitrag dazu dieser Utopie einen Schritt näher zu kommen.

(Anita Kaya, am 13.8.21)

[1] Frie Leysen, Embracing the Elusive. Or, the necessity of the Superfluous, p 56-57, Reclaiming the Obvious. On the Institution of the Festival, edited by Marta Keil, Warszawa–Lublin 2017 (Übersetzung: Anita Kaya)

[2] Laut Dorothea von Hantelmann, Lecture Theorie und Methodik des Kuratierens am 12.10.19

[3] vgl. eds. Jacques Ranciere, “Problems and Transformations in Critical Art,” in Participation, ed. Claire Bishop, 83-93

[4] vgl. Manchev, Boyan, Nothing in Common. Collaborations, Relations, Processes, and the Actuality of Artistic Labour in COMMONS/UNDERCOMMONS, TkH no. 23, JOURNAL FOR PERFORMING ARTS THEORY, Belgrade, 2014, p 53

[5] vgl. Bishop, Claire, Artificial Hells: participatory art and the politics of spectatorship, London, 2012

[6] Florian Malzacher, Putting the Urinal back in the Restroom in Truth is Concrete, steirischer herbst festival gmbh, und Sternberg Press, Wien-Berlin, 2014, p 19

[7] Charles Esche, Selfempowering in Truth is Concrete, steirischer herbst festival gmbh, und Sternberg Press, Wien-Berlin, 2014, p. 99 (Übersetzung: Anita Kaya)