15.9.22 // 19.00 & 21.9.22 // 19.00 OPEN LABS
„David Bowie“ / Foto: Massimo Latte
Sa 29.1.2022 // 19.00 // OPEN LABVERSCHOBEN
15.9.22 // 19.00 & 21.9.22 // 19.00 OPEN LABS
Bräuhausgasse 40, 1050 Wien
mit theoretischen Beiträgen, partizipativen Übungen und Diskussion // freie Spende
mit: Tobias Draeger, Claudia Heu, Lisa Hinterreithner, Michael Hirsch, Kilian Jörg, Anita Kaya, Sara Lanner
Wir leben zwischen dem Leiden an der Normalität und den Träumen von einer anderen Normalität.
„Was ist normal, wer ist normal, wer oder was nicht? Was ist überhaupt eine Norm?“ Wie wird Normalität in der Gesellschaft gebildet und wodurch werden solche Prozesse in Gang gesetzt? Wo liegen die Grenzen der Normalität, wie und wodurch werden diese verschoben? Wie weit kann ein Leben außerhalb der Normalität funktionieren? Welche Rolle spielt Kunst in diesem Bezugsfeld?
Das Denkkollektiv erforscht die Phänomene der Normalität und der Abweichung von ihr als Konstruktion von konformen und nicht konformen Lebensweisen. Von Mustern des Verhaltens, der Haltung und der Bewegung von Körpern, Psychen, Seelen, Paaren, sozialen Gruppen, Organisationen und Kollektiven.
„Normalität“ oszilliert zwischen dem Terror der Unterwerfung unter eine herrschende Norm auf der einen Seite, und der Sehnsucht nach beruhigenden Gewohnheiten und Alltagsritualen auf der anderen. Normalität ist keine unveränderliche Essenz, sondern ein sich stets transformierender Prozess der inner- und außergesellschaftlichen Ausverhandlung von Werten, Grenzen, Identitäten und Zuschreibungen. All das, was wir heute als normal bezeichnen, war keineswegs immer so und wird es in Zukunft auch nicht mehr sein. Das kollektive Erlebnis des Aussetzens der sogenannten „Normalität“ durch die staatlichen Maßnahmen in der „Corona-Krise“ der letzten 2 Jahren ruft nach Neuverhandlung der Normalität, nach Impulsen für neue, prozessuale Normalitäten.
„Was ist für mich normal?“ Ausgehend von den je besonderen Antworten der Beteiligten erforscht das Denkkollektiv künstlerisch-reflektierend gegenwärtige Lebensweisen, und fragt nach neuen Lebensmöglichkeiten.
Das Denkkollektiv #7 – Normalität ist Teil des transmedialen Forschungsprojektes Stoffwechsel – Ökologien der Zusammenarbeit. www.stffwchsl.net
Nachricht an Gäste, die sich für das Open Lab am 29.1.22 angemeldet haben:
Unser Umgang mit der Normalität – die Veranstaltung morgen findet nicht statt
Liebe Gäste,
Als Stoffwechsel-Kollektiv haben wir uns diese Woche intensiv und transdisziplinär mit Normalität beschäftigt – wir lasen Utopien einer anderen Welt, analysierten die Spannung zwischen Normalität als Halt und als Zwang, befragten dritte Orte im Öffentlichen Raum als mikro-utopischer Ermöglichungshorizont und untersuchten die Normalität als Katastrophe. Behutsam ließen wir auch das heißeste Eisen zur Normalität in unseren Forschungsraum: die oftmals als „neue Normalität“ benannte Unsicherheit bezüglich der Covid-19-Regulatorien und wie man damit umgehen kann im „irgendwie weiter hechelnden“ Kulturbetrieb.
Seit zwei Jahren sind wir als Künstler*Innen massiven Unsicherheiten ausgeliefert und versuchen uns genauso lang auf diese neue und stetig wechselnde Normalität einzustellen. Zuallermeist wird dieser Prozess der Anpassung an eine ständig wechselnde Normalität wenig öffentlich thematisiert – und man trägt einfach Maske, verlegt die Veröffentlichung auf Zoom, führt neue Grenzregime ein und grenzt damit einen Teil der Bevölkerung aus oder macht andere – wenig künstlerisch und ästhetisch reflektierte oder inkorporiete – Kompromisse mit den aktuell herrschenden Bedingungen. Ein inklusiver Raum ist nicht derselbe, wenn alle Masken tragen müssen (wie die derzeitigen staatlichen Maßnahmen es vorschreiben), genauso wenig ist eine Performance oder ein Vortrag derselbe, wenn er über die glatte Fläche eines Displays verfolgt wird.
Wo sollte man sich nicht diesen großen Fragen unserer digital-pandemischen Zeit widmen, wenn nicht in unserem Forschungszusammenhang, der sich schon vor der Pandemie die Normalität zum Hauptfokus ausgesucht hat? Wir diskutierten kontrovers, anstrengend, aber gleichzeitig sehr respektvoll und produktiv den Umgang mit dieser sich als Ausnahmezustand perpetuierenden Normalität der Covid-Regulatorien. Wir wollten nicht länger „so tun als ob“ und unsere Veröffentlichung einfach so abhalten, als gäbe es keine Auswirkungen auf die sozialen und ästhetischen Erfahrungen, die diese pandemische Situation auf Kulturveröffentlichungen haben.
Wir haben im Laufe der Arbeitswoche letztendlich keinen Konsens erzielen können über eine formale Lösung für die Frage, wie wir unter den bestehenden Regularien die Ergebnisse unseres Arbeitsprozesses mit einem Publikum stimmig teilen können. Die aktuell geltenden Covid-Verordnungen sind, egal wie man politisch zu ihnen steht, ein kulturpolitisches Phänomen, welches zu oft unter den Tisch gekehrt wird. Wir wollen uns diesem Phänomen annehmen und unser erster Schritt ist ein Scheitern daran. Wir glauben, dass das Scheitern eine befriedigende Lösung und ein Teil der Auseinandersetzung mit dem Problem der „neuen Normalität“ ist – und ein erster Schritt zu einem produktiven und befriedigenden Umgang mit einer Welt, die von diversen Katastrophen als Normalität gekennzeichnet ist. Wir wollen mit dieser Entscheidung einen Prozess eröffnen, der Anpassung, Kompromiss und Neuerfindung ermöglicht und befeuert. Wir nehmen uns daher als ersten Schritt zurück. Im Herbst, beim 2. Teil des Labors zum Thema Normalität, werden wir weitere Normalitäten erforschen und reflektieren.
Wir freuen uns auf ein Wiedersehen im Herbst und senden euch einen link zur Lektüre (ab S 27) mit der wir uns beschäftigt haben. bolobolo.pdf
Vielen Dank für euer Verständnis
Die StoffwechslerInnen
Wien, am 28.1.2022
Fotos: Anita Kaya, Franzi Kreis
Anita Kaya (AT) geboren 1961, ist freischaffende Choreografin, Performerin und Kuratorin und lebt in Wien. Unter dem Label OYA-Produktion (1988-2005) schuf sie Tanzproduktionen, ortsspezifische Performances, performative Installationen und Tanzvideos, die international präsentiert wurden. Im Jahr 2000 initiierte sie die Künstler:innen für Künstler:innen Initiative Im_flieger – Forschungslabor für Tanz, Performance und transmediale Kunst. (Konzeptförderung der Stadt Wien 2022-25). In künstlerischer Leitung und in Zusammenarbeit mit zahlreichen Künstler:innen und Theoretiker:innen entwickelt sie neue Konzepte und Strukturen künstlerischer Kooperationen und Mentoring-Programme: z.B. das europäische Residenzprogramm für junge Choreographen TERRAINS FERTILES 05 (Innovationspreis 2005 der IG-Kultur Wien). Sie beschäftigt sich mit dem Körper als Speicher des individuellen und kollektiven Gedächtnisses, und seinem Kommunikationspotenzial mit der Umgebung, der Menschlichen und mehr als Menschlichen: z.B. Translocations / One-to-One Performance bewegte sich an der Schnittstelle von Geschichte/ Trauma, Archivierung, Installation und Performance. 2023 kooperiert sie mit Theatercombinat/ Claudia Bosse im Rahmen der Produktion Bones & Stones als Performerin/Choreografin. 2019/20 absolvierte sie den Universitätslehrgang „Kuratieren in den Szenischen Künsten“ an der Universität Salzburg und München. Sie ist Co-Herausgeberin und -Autorin der Publikation VISCERAL FICTION – Im_flieger schreibt Geschichte/n – 20 Jahre Künstler:innen für Künstler:innen. 2021, monocrom. www.imflieger.net, www.stffwchsl.net
Claudia Heu (AT) ist eine in Wien lebende Künstlerin, Performerin und Dozentin. Sie ist in Europa, der Mongolei und den USA tätig. Ihre Arbeit umfasst ortsspezifische Performances, Installationen und Interventionen. Die Zusammenarbeit mit Filmemacher*innen, Aktivist*innen, Friseur*innen, Schauspieler*innen, Busfahrer*innen, bildenden Künstler*innen, Nachtwächter*innen etc. gestaltet sich je nach Projekt und Ort neu. Seit 2013 arbeitet sie mit mongolischen und österreichischen Künstlerinnen und Wissenschafterinnen an dem Forschungsprojekt Alga Bolokh- Vom Verschwinden in Ulan Bator, Wüste Gobi und Berlin. Alga Bolokh befasst sich mit bedrohten Orten und Räumen, mit dem Unerzählten und dem Nichtsichtbaren. www.claudiaheu.com
Kilian Jörg (AT) arbeitet sowohl künstlerisch als auch philosophisch zum Thema ökologische Katastrophen und wie man sich deren transformative Kräfte am besten vorstellen und einsetzen kann. Frühere Veröffentlichungen befassten sich mit der Clubkultur, dem politischen Backlash aus ökologischer Sicht, der Kultivierung von Distanz in katastrophalen Zeiten und einer spekulativen Religion des Abfalls. Seine aktuellen Forschungsthemen sind das Auto als Metapher für unsere toxischen Verstrickungen mit modernen Lebensstilen (erscheint in Buchform als „Das Auto und die ökologische Katastrophe“ im September 2024), die sozialpsychologischen Auswirkungen des Lebens mit dem Ökozid und radikale aktivistische Strategien der Landrückgewinnung wie die ZAD in Frankreich. Er arbeitet mit dem Futurama.Lab an der Akademie der bildenden Künste Wien und ist dem SFB Affektive Gesellschaften an der FU Berlin angeschlossen. www.kilianj.org & www.kilianjoerg.blogspot.com
Lisa Hinterreithner (AT) Die Künstlerin und Performerin Lisa Hinterreithner verschränkt in ihren Arbeiten Körper und Materialien. Dabei sucht sie nach experimentellen Performance Formaten, die Fragen zu Repräsentation und Teilhabe thematisieren. So entstehen gemeinsame Prozesse und Räume, in denen sich Publikum, Performer*innen und Dinge verbinden. Sie hat u.a. mit Julius Deutschbauer, Jack Hauser, Rotraud Kern, Elise Mory, Laura Navndrup Black, Lilo Nein, Martina Ruhsam, Linda Samaraweerová gearbeitet. www.lisahinterreithner.at
Michael Hirsch (DE) ist Philosoph, Politikwissenschaftler und Kunsttheoretiker. Er lehrt Politische Theorie und Ideengeschichte an der Universität Siegen und lebt als freier Autor in München. Er ist regelmäßiger Teilnehmer der Werkstätten und Forschungslabore von „Stoffwechsel. Ökologien der Zusammenarbeit“ im Rahmen von Im_flieger. Jüngere Veröffentlichungen: Kulturarbeit. Progressive Desillusionierung und professionelle Amateure (2022); Richtig falsch. Es gibt kein richtiges Leben im falschen (2019); Die Überwindung der Arbeitsgesellschaft. Eine politische Philosophie der Arbeit (2016); Logik der Unterscheidung. 10 Thesen zu Kunst und Politik (2015). www.michael-hirsch-archiv.de
Sara Lanner (AT) arbeitet als Tänzerin, Choreografin und performative Künstlerin im Bereich der bildenden sowie darstellenden Kunst. In ihren Arbeiten thematisiert sie den Körper und dessen Erscheinungsform als soziale Choreografie und Skulptur. Ihre Performances finden in Galerien, auf Bühnen sowie an interdisziplinären und öffentlichen Orten statt. Ihr Interesse ist es dabei, performative und choreografische Zugänge zu verbinden und dadurch die bildende Kunst und den zeitgenössischen Tanz gleichermaßen zu erweitern. www.saralanner.com
Tobias Draeger (AT) ursprünglich aus Deutschland, ist ein nomadisierender Künstler, der über die Grenzen von Tanz, Körpertheater und Osteopathie hinaus praktiziert. Seine Arbeiten konzentrieren sich oft auf die Körperlichkeit von Performer und Publikum, die Manipulation von Objekten und Materialien und die Entwicklung intuitiver Beziehungen mit und zwischen den Zuschauern. Seine Arbeit ist zugleich spielerisch und fokussiert, da er mit Praktiken und Dramaturgien experimentiert, die das Publikum zur Aufmerksamkeit und Konzentration auf die Folgen von Wahrnehmungen einladen