Interstitial activities y pa amb tomàquet // Martina De Dominicis (IT/AT)

Do 23.1.2025 // 19.30

In Kooperation mit nunArt Barcelona

Foto: Ilaria Salvagno

Do 23.1.2025 // 19.30

Recherchepräsentation
Bräuhausgasse 40, 1050 Wien // Pay as you wish // Drinks & Buffet // Dauer: 30-40 Minuten (interaktive Rauminstallation 30 Minuten geöffnet, danach wird Martina 10 Minuten einige der Scores tanzen) // Bitte Handy und Kopfhörer mitbringen!

CHANGING SPACES Wien–Barcelona 2024
Im_flieger Wien in Kooperation mit nunArt Barcelona
Residenz in Barcelona: 17. November – 15. Dezember 2024
Mehr zu nunArt hier.

Am 12. Dezember 2024 präsentierte Martina De Dominicis die Ergebnisse ihrer Residenz bei nunArt Barcelona.

Recherche: Martina De Dominicis
„Cavities that can host“ Songs/Sounddesign: Manuel Riegler
Gesprächspartnerin: Laura Vilar

Martina De Dominicis hat sich in ihrer vierwöchigen Residenz im Rahmen von Im_flieger CHANGING SPACES International bei nunArt in Barcelona auf die Reflexion und „Verdauung“ ihrer letzten Arbeit Latente konzentriert. Bei der Recherchepräsentation wird das Publikum zu einem hybriden Format eingeladen und hat 30 Minuten Zeit, im eigenen Tempo durch einen Parcours von Scores zu navigieren, der im Raum installiert sein wird. Danach wird Martina De Dominicis 10 Minuten lang einige der Scores tanzen.

Martina De Dominicis:
„Während meiner Zeit bei nunArt habe ich vor allem Zeit damit verbracht, den Prozess zu verdauen, der zur Präsentation meiner neuesten Arbeit Latente geführt hat. Ich habe mich gefragt, was es bedeutet, etwas zu verdauen, das keine Nahrung ist, und ob das etwas ist, was ich aktiv tun kann. Oder ob es etwas ist, das ohnehin mit mir geschieht.
Ich habe mit den Begriffen Essen, Verdauen, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung und Düngen gespielt und sie durch Momente und Aspekte meines künstlerischen Prozesses ersetzt: Dinge, die ich gelesen oder beobachtet habe, Menschen und Praktiken, mit denen ich gearbeitet habe, die Art und Weise, wie sie mich genährt haben, das Material, das entstanden ist, die Art und Weise, wie es meinen Körper verlassen hat, um vielleicht in einem anderen Körper wiederzukehren.

Das Gefühl der Leere und des Verlusts, begleitet von einer herzzerreißenden Erfüllung, die schnell wieder verschwindet, hat zu einem Zustand geführt, in dem ich nicht weiß, was ich jetzt tun soll. Ich bin mir ziemlich sicher, dass viele Performancekünstler:innen diesen Zustand erleben, nachdem sie Werke geschaffen haben.

Hier zu sein und sich die Zeit zu nehmen, diese Gefühle einfach sein zu lassen, würde ich als Privileg bezeichnen.

Es ist auch ein Privileg, Kunst machen zu können.

Das Thema Privileg hat mich dazu gebracht, mich mit etwas zu beschäftigen, das ich schon lange erforschen wollte, aber nie die Gelegenheit dazu hatte: Mit der überwältigenden Liebe und Dankbarkeit, die ich für meine Großmutter empfinde, mit dem ständigen Gefühl, sie zu vermissen und mit einer seltsamen Wehmut auf den Tag zu warten, an dem sie nicht mehr da sein wird, künstlerisch zu arbeiten.

Sie und ihre körperliche Erfahrung wurden die Quelle meiner täglichen Praxis hier bei nunArt. Ich führte viele Telefonate mit ihr, beschäftigte mich mit ihrer Pfeifpraxis und hörte und tanzte zu ihren Lieblingsliedern.
Wie beim kreativen Prozess für Latente habe ich versucht, die Grenzen meiner gelebten Erfahrung zu überschreiten und meine eigene Wahrnehmung zu erweitern, indem ich die Körperlichkeit anderer nachempfinde und mich in die Existenzen anderer einfühle. Ich habe das mit Menschen gemacht, die ich noch nicht einmal getroffen habe, die mich aber immer fasziniert haben, um zu versuchen, das zu fühlen, was sie fühlen.

Dieses Mal widme ich mich der körperlichen Existenz meiner Großmutter, ihrem Leben mit endloser Arbeit und Pflege, ihrem Leben unter schweren patriarchalischen Strukturen und ihrer Unfreiheit, überhaupt zu singen oder zu tanzen, mit dem Wunsch …
… ihr ein Privileg zu geben, das sie nicht hat. Das ich aber, auch dank ihr, zufällig habe.
… eine metaverse Geschichte von ihr zu erschaffen.
… eine alternative Erzählung zu schreiben, die sich der Vorstellung einer zeitlichen Vergangenheit oder Zukunft entzieht.
… sie einzuladen und sie sich in meinem Kontext bewegen zu lassen, während ich mich in ihrem bewege…
durch diesen kleinen Tanz des Dazwischen.

In diesem Raum findest du einige Scores, mit denen du dich in deinem eigenen Tempo beschäftigen kannst. Sie sind ein Angebot einen Einblick zu bekommen, wie ich meine Tage bei nunArt verbracht habe. Du kannst deiner eigenen Anordnung folgen.

Am Ende wird es ein Essen aus meiner Kindheit geben, das meine Großmutter jeden Tag für mich zubereitet hat und das zufälligerweise eine der häufigsten Tapas in der katalanischen Tradition ist – die ich auch sozusagen jeden Tag als Teil meiner Praxis gegessen habe.“

Martina De Dominicis (IT/AT) ist eine in Wien lebende Tanzkünstlerin und Choreografin. Nach einer Karriere bei mehreren institutionellen Tanzkompanien in ganz Europa beginnt sie 2016 die Zusammenarbeit mit Rafaele Giovanola für die Kompanie Cocoondance (DE/CH). Die fortlaufende Zusammenarbeit mit der Kompanie als Performerin, Außenstehende und Forscherin bei der Erstellung eines Bewegungsglossars weckte den Wunsch, eine Methodik zu erforschen, die sich zwischen Praxis und Theorie bewegt. Mit diesem Ziel vor Augen absolviert sie derzeit ihr MA-Studium in Bewegungsforschung an der Anton Bruckner Privatuniversität in Linz. In Wien war sie Teil von Veza Maria Fernandez‘ Amadora Llama (Tanzquartier Wien, 2018) und Georg Blaschkes Giotto’s Corridors (Brut 2021). Sie ist Mitbegründerin des Projekts Backpulver_training and feedback practices. 2019 hat sie zusammen mit Alberto Cissello das künstlerische Duo-Kollektiv Debocs ins Leben gerufen. Mit dem Stück yet to be born wurden sie zu Auftritten in Deutschland, Österreich, Italien und Kroatien eingeladen.
 Als Lehrerin hat sie ihre Praxis an der ZZT Tanzhochschule in Köln, der Otto Falkenberg Schule München und Dancearts Boris Nebyla in Wien weitergegeben. www.debocs.com